Die richtige Atmung zum Erfolg

Wie sagte einst Joseph Joubert: "Zeichnen ist die Sprache für die Augen, Sprache ist Malerei für das Ohr."


Bei einer zu hohen, piepsigen, schrillen, nervösen oder gebrochenen Stimme kann diese "Malerei fürs Ohr" allerdings ungewollte Dimensionen annehmen. Nicht immer zur Freude unseres Gegenübers. Die Stimme ist ein komplexer Apparat, der sich aus den drei großen Bereichen Atmung, Körper und Psyche zusammensetzt.


Die Vollatmung


Jeder Mensch atmet, aber nicht jeder Mensch atmet richtig. Jedes Baby atmet, aber jedes Baby atmet richtig. Warum? Weil es das darf. Weil es überleben will und weil es ihm noch absolut egal ist, was andere von ihm denken. Es denkt nur an sich und seine Bedürfnisse. Es muss sich keiner Zensur unterwerfen, keinen Normen und Regeln anpassen. Das Baby darf so sein wie es ist: laut. Der erwachsene Mensch jedoch muss sich benehmen. Er muss Regeln entsprechen und funktionieren, wie es gesellschaftlich akzeptiert ist: leise.


Sobald wir uns dessen bewusst sind, meist ab einem Alter von 12 Jahren, beginnen wir unbewusst damit, unsere natürliche Atmung Stück für Stück zu unterdrücken. Emotionen müssen kontrolliert werden. Wir beginnen damit, unser Selbst zu blockieren, um ungewollte Gefühle zu unterdrücken. Dazu müssen wir unsere Atmung kontrollieren. Sie wird flacher. Die Luft darf bis in unsere Lunge, aber keinen Zentimeter weiter kommen. Im Schauspielerjargon spricht man in diesem Fall vom sogenannten "Deckeln". Wir setzen auf unsere Gefühle einen Deckel, wir brechen den Kontakt zu "Tieferem" ab, in dem die reine Brustatmung nun ausnahmslos für die Atmung verantwortlich ist. Wir überleben, aber bitte mit so wenig Gefühl wie möglich.


Das kann durchaus funktionieren. Auch mit dieser Atmung können wir 80 bis 100 Jahre alt werden - ohne Probleme. Oder besser gesagt: fast ohne Probleme. Allerdings nur so lange, bis wir eines Tages auf eine ausdrucksstarke, kraftvolle und authentische Stimme angewiesen sind. Dann haben wir ein Problem: die reine Brustatmung. Wir atmen zwar, aber nicht richtig, um die volle Stimmkraft auszunutzen. Auf dem Weg zum "richtigen" Ton, variabler Lautstärke und Intensität bleibt immer ein Hindernis, wie z.B.: Kurzatmigkeit, Heiserkeit, überschlagende Stimme - um nur ein paar Stimmblockaden zu nennen.  


Um diese Hindernisse in den Griff zu bekommen, ist der erste Schritt unsere Atmung, damit wir uns mit unserer Stimme durchsetzen, überzeugen und Vertrauen aufbauen können. Wir beginnen an der Basis, am Beginn des Lebens sozusagen: mit einem tiefen Einatmer und einem lauten Schrei, mit dem wir uns in der Welt bemerkbar machen. Keine Angst, zum Glück geht dieser Prozess als Erwachsener wesentlich subtiler, allerdings nicht einfacher: Was wir uns in jahrelanger Arbeit erlernt haben, müssen wir nun mühevoll "verlernen". Zurück zur Basis - zurück zur Vollatmung, die eine perfekte Kombination von Bauch- und Brustatmung bildet.

Folgende Abbildung zeigt, wie sich Brust- und Vollatmung unterscheiden und welche Körperregionen jeweils beteiligt sind oder nicht beteiligt sein sollten:

Der schnellste und angenehmste Weg, um unserem Körper das Gefühl der Bauchatmung zurück zu geben, geht so:


Legen Sie sich entspannt auf den Boden, aufs Bett oder wo auch immer Sie sich wohl fühlen. Hauptsache Sie können gut am Rücken liegen, die Beine ausstrecken und die Arme entspannt auf Ihren Unterbauch (das wäre der Bereich unterhalt Ihres Nabels) legen.


Schließen Sie die Augen.


Ihre einzige Aufgabe besteht nun darin, sich auf Ihre Atmung zu konzentrieren. Atmen Sie dazu über die Nase ein und über den Mund aus. Nach 3 - 4 Atemzügen können Sie beim Ausatmen langsam auf "ffff" die Luft über Ihren Mund ausströmen lassen. Ihre Hände ruhen dabei entspannt auf dem Unterbauch, der sich bei der Einatmung (am besten von selbst!) HEBEN und bei der Ausatmung SENKEN sollte. Wenn Sie an dieser Stelle bemerken, dass Ihr Bauch genau das Gegenteil davon macht, das heißt: er senkt sich bei der Einatmung und weitet sich bei der Ausatmung => keine Panik, Sie sind nicht allein und können damit einfach nur sicher sein, dass bei Ihnen die Atmung komplett falsch läuft. Deshalb jetzt richtig: einatmen => Ihr Bauch hebt sich (wenn nicht von alleine, dann helfen Sie aktiv über Ihre Bauchmuskulatur am Anfang nach!) und ausatmen => der Bauch senkt sich! Am besten funktioniert diese Übung kurz vor dem Einschlafen, da unser Körper vom Tag müde ist und keine Lust mehr hat, in irgendeiner Art und Weise lange zu blockieren. Nutzen Sie diese Entspannung! Wenden Sie diese Übung jeden Abend regelmäßig an, sollte Ihr Körper ca. nach zwei Wochen die neue Atmung gespeichert haben und langsam beginnen, diese automatisch durchzuführen.


Unterstützen Sie diesen Vorgang zusätzlich, indem Sie sich auch im Alltag immer wieder mal auf Ihre Atmung konzentrieren. In der Warteschlange im Supermarkt, an der Bushaltestelle oder im Büro. Keine Angst, Sie müssen sich dazu nicht jedes Mal hinlegen, Ihre Atmung kann auch im Stehen richtig funktionieren. Je öfter Sie bewusst daran denken, umso schneller werden Sie zu Ihrer natürlichen Vollatmung und Ihrem untrüglichen "Bauchgefühl" zurück finden. Die Basis für eine kraftvolle, natürliche und facettenreiche Stimme ist damit gelegt! (c) Karin Neidhart